
Netflix ist nur eine von vielen digitalen Marken, die Print nutzen. Damit ist das Phänomen des “Reverse Publishing” im Moment eine der größten Entwicklungen bei Markeninhalten.
Die neueste digitale Marke, die sich dem Druck zuwendet, um ein neues Publikum zu erreichen, ist Netflix. Mit einem Marktwert von 21,2 Milliarden Dollar und einer globalen Nutzerbasis von 150 Millionen Euro muss der Streaming-Dienst nicht viel Marketing betreiben – weder Print, noch Digital. So war die Einführung eines eigenen Magazins eine kleine Überraschung.
“Netflix hat Hunderte Millionen Dollar für die Jagd nach Hollywood-Awards ausgegeben.”
Die 100-seitige Publikation mit dem Titel „Wide“ enthält Features, Interviews und Artikel über die von Netflix produzierten Inhalte und konzentriert sich dabei auf die Menschen, die diese Inhalte kreieren. Aber anstatt die Nutzer anzusprechen, richtet sich das Magazin an die Konkurrenz- die durchaus wettbewerbsfähige Hollywood-Community- und wirbt mitten in der Wahlsaison für seine Shows und Stars für die kommenden Emmys.
“Netflix hat Hunderte Millionen Dollar für Hollywood-Awards ausgegeben”, schreibt Lucas Shaw in Bloomberg, “die dazu beitragen, das Image des noch jungen Studios des Streaming-Dienstes in den Augen der Verbraucher und der Unterhaltungsindustrie zu verbessern.”
Die Einflussreichen beeinflussen
Dieses neue Marketing-Gambit zielt darauf ab, mit einem Print-Magazin einen neues Alleinstellungsmerkmal zu schaffen, wenn es darum geht, ein extrem schwer zu beeindruckendes Publikum zu beeinflussen. Indem Netflix der Hollywood-Community anstelle einer reinen Digitalkampagne ein traditionelles Magazin liefert, will Netflix eine tiefere Verbindung herstellen und ein physisches Produkt anbieten, das als permanente Erinnerung an die Marke und ihre Produktionen dient.
“In Vorbereitung auf ein bahnbrechendes Jahr in Film und Fernsehen”, schrieb die Marke in einer Werbebotschaft, “hat Netflix einige der talentiertesten und begehrtesten Schriftsteller und Fotografen, Denker und Kreative versammelt, um die erste Ausgabe von Wide herauszubringen.”
Ein sich entwickelnder Trend
Dieses seltsame Phänomen, dass digitale Unternehmen Print nutzen, um ein bestimmtes Publikum zu erreichen oder einer Botschaft Gewicht zu verleihen, gibt es schon seit einiger Zeit. Prominente Marken nutzen oft die Seriosität und Dauerhaftigkeit von Zeitungen, um der Welt mitzuteilen, dass es ihnen leid tut, einen Fehltritt geleistet zu haben – siehe Facebook’s Entschuldigung für den Cambridge Analytica-Skandal.
Außerdem ist direkte Werbung für die Online-Giganten attraktiv, insbesondere wenn es darum geht, schwer erreichbare Kontakte wie z.B. Firmenchefs zu erreichen. Google und LinkedIn haben es geschafft, gut gemachte Postsendungen zu erstellen, die genug Kreativität haben, um an den office gatekeepers vorbeizukommen und auf den Schreibtischen von Firmenchefs auf der ganzen Welt zu landen.
Dann gibt es da noch Amazon mit seinem im vergangenen Jahr veröffentlichten Printkatalog und Apple, die regelmäßig die weltweit führenden Modemagazine nutzen, um die neuen Telefone auf den Markt zu bringen und gleichzeitig die Produkte mit Stil, Eleganz und Begehrlichkeit zu verbinden.
Die Aufmerksamkeitsökonomie
Was Apple, Google, Facebook, Netflix, Amazon, LinkedIn, Airbnb und die vielen anderen Marken, die ihr Vermögen auf der Grundlage von digitalem Wissen aufgebaut haben, wissen: Print bietet ein völlig anderes Erlebnis als Online. Diese Erfahrung gibt dem Leser nicht nur Zeit und Raum, den Inhalt zu genießen, frei von Ablenkung und dem Zwang, sich in die nächste Geschichte einzutauchen, sondern bietet auch die Möglichkeit, sich tief mit einem Thema zu beschäftigen, um ein besseres Verständnis zu erlangen. Ob es sich nun um einen Hollywood-Regisseur oder ein kleines B&B vor den Toren Barcelonas handelt; es entsteht eine stärkere Bindung zwischen Magazin und Leser und damit der Marke.
In einer Welt voller Inhalte erkennen viele Unternehmen, dass sich ihre reinen Digital-Marketingstrategien ändern müssen, wenn sie die Aufmerksamkeit und Loyalität ihrer Kunden erhalten wollen. Und das Medium, das im Moment die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist Print.
Artikel von Sam Upton
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