
Die Londoner Stationers’ Hall blieb dieses Jahr leider leer: Das zehnte Power of Print-Seminar fand ausschließlich im virtuellen Raum statt. Doch trotzdem war es ein voller Erfolg für Hunderte von Delegierten der Print-Branche aus aller Welt.
Die ganztägige Veranstaltung von Two Sides verlor trotz der diesjährigen Umstände nichts von seiner Relevanz und Faszination für die Druck- und Verpackungsindustrie. Experten, Akademiker und Geschäftsführer aus allen Bereichen des Druck-, Verlags-, Verpackungs-, Post- und Werbesektors kamen zusammen und gaben Ausblicke auf die Zukunft der Industrie.
Ein widerstandsfähiger Sektor
Natürlich war die Corona-Pandemie ein wiederkehrendes Thema der Veranstaltung. Charles Jarrold, CEO der BPIF, beschrieb gleich zu Anfang die Auswirkungen, die sie auf die Druckindustrie hat: Ein Umsatzrückgang von 17 Prozent seit März verdeutlicht, dass die Industrie von der Pandemie schwer getroffen wurde. Doch das Vereinigte Königreich hat nicht nur unter den Folgen der Pandemie zu leiden, denn auch die Übergangsphase des Brexits spitzt sich immer weiter zu, bei der die Beziehungen mit der Europäischen Union neu ausgehandelt werden sollen. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Handel und bestimmte Lieferketten der Druck- und Papierindustrie. Doch obwohl die BPIF-Mitglieder von einem No-trade-Deal negative Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten, können sie zumindest auf staatliche Unterstützung hoffen.
“Unser Sektor ist extrem widerstandsfähig”, so Charles Jarrold. “Er ist zudem sehr vielfältig und weist eine Reihe positiver und langfristiger Trends auf, darunter die Wirkung und der Wert von zielgerichtetem Druck und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Handelsverbänden und Regierung. Die Zukunft ist rosig, aber es wird noch erhebliche Hürden auf dem Weg geben.”
Das Video zum Beitrag von Charles Jarrold finden Sie hier.
Marken setzen vermehrt auf Postwurfsendungen
Das Jahr 2020 hat viele Unternehmen gezwungen, ihre digitalen Ausrichtungen zu erweitern, sei es im Bereich Online-Marketing, E-Commerce oder das Arbeiten im Home Office. Doch in diesen Zeiten werden Postwurfsendungen immer wichtiger und die Einzelhandelsmarken sind sich dessen sehr bewusst, wie Mark Davies, Geschäftsführer von Whistl, darlegt. „Das allgemeine Vertrauen in Werbung und Medien ist auf einem historischen Tiefstand.“, erklärt Davies. Dies bezieht sich vor allem auf soziale Netzwerke.
Das Video zum Beitrag von Mark Davies finden Sie hier.
Renaissance des Verlagwesens
Ein erneuter Lockdown steht Großbritannien bevor und das Verlagswesen in all seinen Formen wird plötzlich immer wichtiger. Wie bereits im März während des ersten Lockdowns gibt es zwei Medien, die immens an Bedeutung gewonnen haben: Zeitschriften und Zeitungen. Sue Todd, Vertreterin der Verbrauchermagazinbranche und CEO von Magnetic legt dar, dass Zeitschriften und Zeitungen zweistellige Reichweitenzuwächse verzeichnen und auch die Abonnements bei vielen Verlagen um über 200 Prozent gestiegen sind. Magazine, Zeitschriften und Zeitungen sind für die Verbraucher und Verlage besonders relevant geworden, weil Sie zum einen den Lesern eine Art „Halt“ geben und Beständigkeit vermitteln und gleichzeitig auch den Anzeigekunden geholfen haben.
Das Video zum Beitrag von Sue Todd finden Sie hier.
Denise Turner, Insight-Direktorin von Newsworks, gab einen ähnlich faszinierenden Einblick in die Zeitungsindustrie. Sie untersuchte neun Monate lang den Nachrichtenkonsum in Großbritannien. Unter dem Titel “Welt ohne Nachrichten” verfolgte die Studie die Nachrichtengewohnheiten eines Querschnitts von Personen in ganz Großbritannien und befragte diese nach ihrer Meinung über die Rolle von Nachrichtenmarken.
Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Journalismus für das Publikum eine wichtige Rolle spielt. 70 Prozent sind der Meinung, dass eine Welt ohne Journalismus der Demokratie schaden würde. 66 Prozent schätzen ihn seit der Coronavirus-Pandemie als noch wichtiger als je zuvor ein. Durch die Studie wurde zudem herausgefunden, dass Nachrichten einen positiven Einfluss auf die Menschen haben, weil sie ihnen helfen sich zu „orientieren“ und zu „kalibrieren“.
Das Video zum Beitrag von Denise Turner finden Sie hier.
Der wirtschaftliche Ausblick
Andrea Boltho, Emeritus Fellow des Magdalen College, Oxford, und Direktor der Oxford Economics hatte die vielleicht schwierigste Aufgabe von allen: die Darstellung der wirtschaftlichen Aussichten für Europa und der Welt im Laufe der nächsten fünf Jahre. Da es noch nicht einmal klar ist, wann die Pandemie ein Ende findet, gibt es natürlich deutlich leichtere Themen, aber der angesehene Wirtschaftswissenschaftler gab einen klaren Hinweis darauf, wie sich die (Print-)Welt entwickelt.
Sowohl in gesellschaftlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht sieht er deutliche Veränderungen auf die Gesellschaft und die Print-Branche zukommen. Es wird immer mehr Digitalisierung geben und Ausrichtungen der Unternehmen auf mehr Nachhaltigkeit. Viele Firmen richten derzeit ihre Umweltziele- und Maßnahmen neu aus. Dabei werden vor allem Verpackungsmaterialien nach und nach optimiert, damit der Verbrauch von Kunststoffen langfristig reduziert wird.
Das Video zum Beitrag von Andrea Boltho finden Sie hier.
Die Entwicklung der Nachhaltigkeit
Aisling Ryan setzte das Thema fort und erläuterte, dass globale Unternehmen angesichts des Einflusses von Verbrauchern und Regierungen die Richtung der Umweltpolitik ändern. Als Managing Partner und Global Consulting Principal von The Corporate Practice, einer Abteilung von WPP, hielt Ryan einen Vortrag über Absichten und Corporate Social Responsibilities von Firmen – das liegt nahe, denn Ryan berät einige der weltweit größten Unternehmen in der Optimierung ihrer Nachhaltigkeitsziele.
“Wir befinden uns derzeit an einem Wendepunkt”, erklärte sie. “Die Definition von Nachhaltigkeit hat sich weiterentwickelt, und der Schwerpunkt verlagert sich immer mehr auf Ungleichheit – Geschlecht, Rasse, Gesundheit und sozioökonomische Ungleichheit. Alle Unternehmen müssen darüber nachdenken und sich fragen: ‘Was ist unser Standpunkt zur Bekämpfung von Ungleichheit?“
Das Video zum Beitrag von Aisling Ryan finden Sie hier.
Schlusswort
Zum Abschluss des Tages gab Jonathan Tame, Geschäftsführer von Two Sides, einen Überblick über die Arbeit der Organisation, die unter anderem das wachsende Problem des “Greenwashings” in Angriff nehmen möchte. Er gibt eine globale Forschungsstudie über die Wahrnehmung von Druck und Verpackungen durch die Verbraucher in Auftrag und startet Presse- und Online-Kampagnen: Diese sollen der Marketing- und Verlagsbranche sowie Millionen von Verbrauchern die Nachhaltigkeit und Bedeutung von Papier wieder näherbringen.
“Während sich die Wirtschaft erholt, werden Druck, Papier und Verpackung ein wichtiger Teil des Kommunikationsmixes bleiben und zeigen, wie Marken physisch mit den Verbrauchern in Verbindung treten können”, so Tame. “Traditionelle Druckerzeugnisse werden als vertrauenswürdiger angesehen als digitale Maßnahmen und Papier hat dabei noch einen entscheidenden Vorteil: Es ist ein natürliches, erneuerbares und nachhaltiges Material.“
Das Video zum Beitrag von Jonathan Tame finden Sie hier.