
Vom finnischen Ballkleid bis zum amerikanischen Turnschuh erforschen wir fünf alternative Einsatzmöglichkeiten für Holzfasern.
“Im Vergleich zu traditionellen Materialien wie Baumwolle, verbraucht Holzfaser 95% weniger Wasser und halbiert unseren CO2-Fußabdruck.”
Dass Holzfasern ausschließlich zur Herstellung von Papier und Papierprodukten verwendet werden, ist ein gängiger Irrtum. Denn dieses vielseitige Material hat viele andere Einsatzmöglichkeiten und kann an den unwahrscheinlichsten Stellen auftauchen – Pharmazeutika, Zellophan, Schwämme und sogar Wursthüllen.
Da jedoch viele Produkte auf ihre Umweltverträglichkeit hinterfragt werden, wenden sich Hersteller und Händler zunehmend Holzwerkstoffen zu, um eine nachhaltigere Alternative zu bieten.
Wir stellen Ihnen fünf davon vor:
Du solltest zum Ball gehen, Cinderella
Ein Team von Forschern, Experten und Studenten der Aalto University in Finnland hat ein Abendkleid entworfen, das vollständig aus Birken besteht. Das nachhaltige weiße Gewebe, das zur Herstellung des Kleides verwendet wird, wurde nach dem Verfahren ,Ioncell’ hergestellt, bei dem aus einer Reihe von Rohstoffen (darunter Holz, Recyclingpapier und Karton) Textilfasern hergestellt werden.
“Das Gewebe aus Ioncell ist sehr weich”, erklärt Pirjo Kääriäinen, Professor an der Aalto University. “Es hat einen tollen Glanz und fällt wunderschön. Am wichtigsten ist aber, dass es eine ökologisch nachhaltige Option ist.”
Das Kleid erhielt das Gütesiegel von Jenni Haukio, der Frau des finnischen Präsidenten Sauli Niinistö, die das weiße Kleid vor Kurzem anlässlich der 101-jährigen Unabhängigkeit Finnlands im Präsidentenpalast von Helsinki trug.
Sneaker Peak
Das internationale Schuhunternehmen Allbirds mit Sitz in San Francisco hat seine Materialpalette für die Herstellung seiner beliebten Turnschuhe um Holzfasern erweitert. Die Schuhe mit dem Namen The Tree Collection werden aus TENCELTM Lyocell hergestellt, einer Faser aus der Zellulose, die im Zellstoff von verantwortungsvoll angebauten und nachhaltig geernteten Eukalyptusbäumen enthalten ist.
“Unsere Baumfasern stammen aus südafrikanischen Betrieben, die wenig Dünger einsetzen und auf Regenfälle und nicht auf Bewässerung angewiesen sind”, sagt das Unternehmen. “Im Vergleich zu traditionellen Materialien wie Baumwolle verbrauchen unsere Fasern 95% weniger Wasser und halbieren unseren CO2-Fußabdruck.”
Ein Silberstreif
Das Thema Biokunststoffe war in letzter Zeit Gesprächsthema, vor allem im Bereich des Recyclings von Lebensmittel- und Getränkeverpackungen. Nun hat das finnische Papierunternehmen UPM einen erneuerbaren Biokunststoff auf Holzbasis entwickelt, der in Kartons verwendet werden kann und diese wesentlich umweltfreundlicher macht. In diesem Jahr wird das Molkereiunternehmen Arla diese neuen Kartons als erstes Unternehmen für sein Sortiment an Milch-, Joghurt- und Kochprodukten einsetzen.
“Wenn wir ein flüssiges Produkt wie Milch haben, benötigen wir aus Gründen der Produktsicherheit und Haltbarkeit eine dünne Kunststofffolie im Karton”, erklärt Sanna Heikfolk, Brand & Category Manager von Arla. “In unserer neuen Verpackung ist die Herkunft dieses Kunststoffs jetzt noch verantwortungsvoller, weil er aus Holzrohstoffen hergestellt wird.”
Für über 40 Millionen Arla-Kartons wird dieser neue nachhaltige Biokunststoff eingesetzt, durch welchen die neuen Kartons zu 100% aus Holzfaser bestehen. Die herkömmlichen Kartons bestehen lediglich 85% aus nachhaltigen Biokunststoffen.
Kleider machen Leute
Der Bereich der Holzwerkstofftextilien gewinnt europaweit zunehmend an Bedeutung. Zahlreiche Papier- und Zellstoffunternehmen stellen bereits eine Reihe von nachhaltigen Textilfasern her, während führende Mode- und Einzelhandelsmarken sich ebenfalls engagieren. Die jüngste Zusammenarbeit, genannt TreeToTextile, ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen H&M, IKEA und Stora Enso, das die Entwicklung neuer nachhaltiger Textilfasern aus Holzstoff als Ziel hat.
Der TreeToTextile-Prozess nimmt Rohmaterial aus Forstwirtschaften auf und regeneriert die daraus gewonnene Cellulose zu einem Textil. Der Produktionsprozess verbraucht weniger Energie, Chemikalien und Wasser als herkömmliche Textilprozesse.
Zum Vergleich: Man braucht fast 12.000 Liter Wasser, um 1 kg Baumwolle zu produzieren, aber für die gleiche Menge Wasser kann man bis zu 26kg Holzfasertextilien herstellen.
“Zusammen mit dem vorhandenen Wissen über Verbraucher und Textilien”, sagt Lena Julle, Category Area Manager Textiles bei IKEA, “bringt uns das einen Schritt näher an unser Ziel, eine neue nachhaltige und kostengünstige Faser zu etablieren.”
The sound of silence
Das finnische Akustikunternehmen Lumir verwendet Cellulosefasern aus Holz, um Schallschutzmaterialien herzustellen, die effizienter sind, weniger Chemikalien verbrauchen und nachhaltiger sind als herkömmliche Produkte. Während schallabsorbierende Materialien bisher oft aus Glasfaser bestehen und eine Vielzahl von Chemikalien in ihren Bindemitteln enthalten, verbrauchen Materialien aus Holzprodukten weniger Chemikalien und kein Glasfasergewebe, was sie besser für die Umwelt, die Gebäude und ihre Bewohner macht.
“Wenn man sich die Decken in einem öffentlichen Raum ansieht, sieht man diese alten Schallabsorber, die oft ziemlich hässlich aussehen”, sagt Tuomas Hänninen, Entwicklungsleiter von Lumir. “Wir ersetzen diese jetzt durch ein nahtloses Produkt, das für den Menschen gesünder ist, Geräusche effizienter absorbiert und auch viel besser aussieht.”
Im finnischen Parlamentsgebäude, einem Teil der U-Bahn Helsinki, der neuen Bibliothek der Stadt und einem Planetarium in Lappland wurden bereits über 3.000 Quadratmeter Holzschalldämmung installiert.
Article by Sam Upton
Ähnliche Artikel:
Revolution der intelligenten Verpackung
Was die Öffentlichkeit über nachhaltige Verpackungen weiß
Neue, nachhaltige Verpackungen bei L’Oréal